20.06.2024 07:39
Das mysteriöse Hochhaus
Die Fakten: Was ist mit dem Kreuzlinger Hochhaus los?
Die Sanierung des Kreuzlinger Hochhaus «Freiegg» wirft viele Fragen auf – und das seit drei Jahren. Man kann sich kaum mehr erinnern, wie das Hochhaus ohne Gerüst ausschaut. Nach Gesprächen mit der Stadt, dem aktuellen Bauleiter sowie der Eigentümerin können wir Licht ins Dunkle bringen – auch wenn so einiges überhaupt nicht schlüssig ist.
Kreuzlingen Wem gehört das Hochhaus, warum stockt die Sanierung und wie kann es sich die Eigentümerin leisten, drei Jahre lang auf «totem Kapital» zu sitzen? Fragen, die in Kreuzlingen kursieren. Wir haben recherchiert: Die Eigentümerin heisst Maingate AG. Es war schwierig, ein Ansprechpartner ausfindig zu machen. Denn es existiert lediglich ein Handelsregistereintrag, und die Telefonnummer der Firma ist inaktiv. Wir hatten dann über Umwege das Glück, den CEO des Immobilienriesen Reto Jakob ans Telefon zu bekommen. Es stecke eine reiche Familie hinter Maingate, so Jakob. Wie diese heisst, will er nicht sagen. Die Firmeninhaber hätten es nicht nötig, ihre Identität preis zu geben oder: «ihren Namen an einer Blache an den Bauten zu sehen.» Da Geld keine Rolle spiele, habe sie bisher keinen Druck ausgeübt. Jede andere wäre vermutlich auf die Barrikaden gegangen. Googelt man die Eigentümerin erkennt man schnell, dass diese diverse weitere AG’s unterhält. Um die zwanzig machen sich leicht ausfindig. Ebenfalls alle ohne Webpräsenz, Referenzen oder irgendwelchen Spuren im Internet. Reto Jakob sei nicht über das Konstrukt der Maingate AG informiert. Es ist überraschend, dass ein CEO nicht weiss, wie sein Unternehmen aufgebaut ist. Was die Aussage noch unglaubwürdiger macht: Die Redaktion hat herausgefunden, dass Jakob aktuell im Namen einer dieser «Unterfirmen» bei einem 59 Millionen Franken Bauprojekt im Aargauischen mitarbeitet.
Komische Leute am Werk
Langsam werden die Eigentümer des Hochhauses laut des Jakob dann doch langsam nervös – Geld im Überschuss hin oder her. Sie zeige aber weiterhin Verständnis. Denn sie ist zu einem grossen Teil mitschuldig an der Verzögerung. Ihre Wahl des zu Beginn ausführenden Architekturbüros war gänzlich die Falsche. Wie der Architekt heisst, weiss der CEO anscheinend nicht – obwohl die Maingate den Auftrag vergeben hat. «Komische Leute», meint Jakob nur. Das Unternehmen glänzte am laufenden Band mit Fehlentscheidungen. Bei den Fenstern wurde zum Beispiel festgestellt, dass diese nicht der Brandschutzverordnung entsprachen und mussten ausgetauscht werden. Eine «riesen Büez» und die Kosten kann man nur erahnen. Dass der Brandschutz mitunter einer der Hauptgründe für die Sanierung war, macht den Fehler umso auffälliger. Eine Verzögerung jagte die nächste. Der Architekt schlug anscheinend eine Aluminiumfassade vor, dann folgte die Idee eines schwarzen «Bunkers» und zum Schluss wurde der Stadt eine weiss spiegelnde Fassade vorgelegt. Alles Vorschläge, bei denen sogar ein Bau-Laie den Kopf schüttelt. Die Prüfung lag bei der Kreuzlinger Baukommission und der Stadtbildkommission. Dass diese die vermeintlichen Spezialisten immer und immer wieder auf elementare Dinge wie unzureichende Qualität in der Materialwahl oder der inakzeptablen Farbgebung aufmerksam machen musste, schürt Unverständnis. Die Stadt steht seit der Baueingabe in der Kritik. Sie zögere das Bauvorhaben «künstlich» hinaus oder habe «sehr hohe Ansprüche an die Sanierung.» Sogar das Schweizer Fernsehen berichtete darüber. Das stimmt schlichtweg nicht. Der zuständige Stadtrat Ernst Zülle ärgert sich zurecht über die «Fake News».
Das Hochhaus soll als prägender Bau in Kreuzlingen schliesslich eine «gute Falle machen», sagt er. Dies beginne mit hochwertigen Materialien sowie Strukturen der Fassade und ende mit der Farbegestaltung. Die Sicherheit stehe dabei an oberster Stelle. Auch hier gab es erhebliche Mängel: «Ein Hochhaus ist exponiert. Zum Beispiel ist der Übergang der Fassadenplatten bei Starkwind nicht unrelevant.» Es macht wenig Sinn, ein Architektur- und Baubüro über Jahre zu beschäftigen, welches immer wieder beweist, dass es nicht das richtige für das Projekt ist.
Aktuell ist die Verankerung in Sachen Erdbebensicherheit der Grund, warum es weitere Verzögerungen gibt. Doch es sei an manchen Stellen bereits mit der Arbeit an der Fassade begonnen worden, diese sei «von aussen» aber noch nicht sichtbar, sagt Lukas Schurter.
Jetzt läuft etwas
Seit die Swobag den Lead hat, läuft wenigstens etwas. Das Bauunternehmen ist der selbst ernannte «Retter in der Not», oder der «Messias» des «Freiegg». Sie sind es, die jetzt den Laden aufräumen. Schurter strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Als Thurgauer Unternehmen hänge ihr guter Ruf davon ab, dass das Projekt jetzt endlich in die Gänge kommt. Und das Ergebnis «öpis Gfreuts» wird. Die Firma ist nicht nur für die Fassade zuständig, sondern auch für den Ersatzerweiterungsbau. So entstehen ans Hochhaus angebaut aktuell 24 Mietwohnungen und vier Gewerbeflächen. Übrigens: Den Auftrag hat die Swobag Recherchen zufolge von Reto Jakob erhalten – aber nicht in seiner Rolle als Maingate CEO, sondern als Geschäftsführer einer seiner eigenen Firmen. Ein vielbeschäftigter Mann also.
Nach dem jahrelangen Desaster sieht Ernst Zülle einen Lichtblick. Der abgesegnete Entwurf sei wirklich schön geworden und passe ins Stadtbild. Dazu «verhebet» nun der Bau sicherheitstechnisch. Man kann weiterhin gespannt sein, ob und wann sich die nächsten Herausforderungen ankündigten.
von Desirée Müller