12.07.2024 14:14
Ein "göttliches" Vergnügen
Premiere von "Prometheus Revolution im Götterreich"
Das Ensemble des Seeburg-Theaters lieferte wiedermal so richtig ab. Das Stück aus der Feder von Simon Engeli war verrückt, überraschen, lustig und tiefgründig. Der Autor sagt, wie er sich nach der Premiere fühlt und Puppenspielerin Rahel Wohlgensinger erzählt, wie anstrengend es ist, eine Geiss zu spielen.
Kreuzlingen Die Tribüne füllt sich vor der ungewohnten Kulisse. Doch von Kulisse kann eigentlich nicht die Rede sein, vielmehr schaut das Publikum auf eine Baustelle. Ein Müllhaufen, eine Mulde mit Erde, eine Werkbank und ein paar Harasse Bier prägen das Bühnenbild. Es wird gebohrt, gehämmert und geschweisst. Einander «blöde» Sprüche zugeworfen und komisch gekuckt, als plötzlich ein junger «Herr» in Latzhosen – brillant gespielt von Judith Johanna Bach, vor ihnen auftaucht. Ein Archäologiestudent sei er und erntet dafür Spott. Eine der Bauarbeiter entdeckt ein eisernes Rohr, sicherlich von einer Leitung – so seine Meinung. Als der Archäologe das Stück in die Hand nimmt, kneift er die Augen zusammen. Das Material sei doch ganz schön alt, stellt er fest. Es stamme wohl aus der Zeit als die griechischen Götter die Erde regierten. Grosses Gelächter. Ob sie gerne eine Geschichte hören wollen, fragt der Student und beginnt zu erzählen, ohne die Antwort abzuwarten. Was dann geschieht, auf dieser rummeligen Baustelle, erwartet «bei Gott» niemand. Die Arbeiter verwandeln sich sind in die Kinder Krono’s, welcher sie aus Angst, die Macht zu verlieren ass und wieder ausspuckte. Die folgenden 1.5 Stunden sind eine Mischung aus Sprechtheater, Gesang, Akrobatik und Überraschungen sondergleichen. Zu viel möchte man gar nicht verraten, um allen, die das Stück noch sehen wollen, das beflügelnde Gefühl nicht zu rauben, wenn wieder einer dieser magischen Momente geschieht.
«Ich habe geschlafen wie ein Stein», sagt Autor Simon Engeli. «Wenn man ein Stück selbst schreibt, ist man wahnsinnig verletzlich.» Es sei kein Shakespeare, den man aus der Schublade zieht und weiss, dass er beim Publikum funktioniert. Er hatte von Beginn an das Bild vor Augen, dass sich eine Baustelle in eine Fantasiewelt verwandelt. Und das hat er geschafft, und zwar mit Bravour. Die schlaflosen Nächte haben sich demnach gelohnt. So viel sei verraten: Es wird feurig. Der Autor absolvierte extra für das Stück die Pyrotechnikerausbildung. «Es wäre zu teuer gewesen, einen Pyrotechniker für alle Vorstellungen zu engagieren», sagt er. Aber unabhängig davon hat Engeli schon immer eine Affinität zu Feuereffekten auf der Bühne.
Höhepunk war die Geiss
Für viele war Rahel Wohlgensinger das Highlight des Abends – oder vielmehr die Geiss, welche sie verkörperte. Die Puppenspielerin war auf gut Deutsch gesagt: «Der Hammer». Sie war es, die jede noch so düstere Szene mit einem lustigen Spruch aufheiterte. Oder schon nur mit einem «Määäh». «Vor allem die Choreografie gegen Schluss hin war unglaublich anstrengend», sagt sie und lacht, glücklich darüber, dass ihr Geissli so gut ankam. Sie ist sonst mit einem Esel oder Biber unterwegs, auch schon spielte sie einen Steinbock. Erfahrung hat sie zu genüge, und doch ist es jedes Mal aufs Neue ein ganz spezieller Moment, wenn ein neues Tier von der Puppenspielerin zum Leben erweckt wird. «Es war ein Risiko», sagt Simon Engeli. Die Reaktion des Publikums bestätigte den beiden aber, dass es absolut die richtige Entscheidung war.
Publikum begeistert
Die Stimmen des Publikums sind ausschliesslich positiv. «Genial», «mal ganz was Neues», «Boah hast du dich auch so erschreckt?». Noch zum Thema «erschrecken». Plötzlich zogen Wolken auf, es donnerte, blitzte – Was für Special Effects – wurde gemurmelt. Und dann setzte der Regen ein. «Der Moment war perfekt», sagt Engeli und lacht herzlich. Genau dann, als Gaia, die Mutter Erde im Deck sitzend, die Arme vor Energie nur so bebend zum Himmel richtet. Besser konnte Petrus seinen Einsatz nicht timen.
Alles in allem – Ein Meisterwerk von Simon Engeli. Etwas verrückt, etwas gewagt, aber vollends genial.
Von Desirée Müller