28.09.2023 07:50
Jugendwerk Weinfelden schlägt neue Wege ein
"Pioniere" in ihrem Fach
Heitere Graffiti-Kunst in düsteren Unterführungen, Lounge und ein offenes Ohr an der WEGA und 90 Kids bei Besuchen einem Besuch des Thomas Bornhauser Spielplatzes – 2023 ist so einiges los im Jugendwerk. Seit über 30 Jahren übernimmt die Organisation die offene Jugendarbeit in Weinfelden. Seit diesem Jahr wird eine neuer Fokus auf die offene Arbeit mit Kindern gesetzt. Wir haben uns mit den Jugendarbeitern Diego Alessi und Urs Handte getroffen.
Weinfelden Urs Handte kennt sie alle, die Plätze in Weinfelden, die gerne von der Jugend genutzt wird. Nicht nur die sonnigen, sondern auch die «Unorte», wie er sagt. Seit 12 Jahren ist er aufsuchend unterwegs, fragt nach dem Befinden der Weinfelder Jugend, vermittelt bei Konflikten und macht sie auf ihre Angebote aufmerksam. Bisher war er alleine auf seinen Touren unterwegs, von der Gütti, zum Bahnhof bis zur Thurbadi. Überall dort, wo junge Menschen gerne «rumhängen». Sie kennen ihn alle, und wenn nicht persönlich, dann hat sicher ein Geschwister von dem Mann mit dem schwarzen Rollkragenpulli und der blauen Jacke gehört. Seit neustem ist das ganze Jugendwerk-Team aufsuchend unterwegs. Vom Leiter bis zur Praktikantin. Ein Novum im Bereich der Jugendarbeit, so sind in vergleichbaren Organisationen die Aufgaben immer noch «streng» aufgeteilt. Die vielfältigen Arbeitseinsätze machen den Job aber umso spannender und das kommt im Team gut an. Die Auszubildenden geniessen noch den Welpenschutz und ziehen mit Diego oder Urs in Zweierteams los. Jugendgruppen anzusprechen, braucht anfangs etwas Überwindung, auch das Fingerspitzengefühl, ob Redebedarf besteht oder man doch eher stört, kommt erst mit der Erfahrung. «Die meisten kennen das ganze Team bereits von Anlässen im Jugendwerk und konnten dort bereits eine Vertrauensbasis aufbauen», so Urs Handte. Dazu haben die Schulsozialarbeitenden ihren Arbeitsplatz vom Jugendwerk direkt in die Schulen verlegt, was laut den beiden absolut Sinn mache. «Sie sind näher am Geschehen dran.»
Offene Arbeit mit Kindern
Dazu gibt es eine weitere Neuheit im Jugendwerk. Erst seit diesem Frühjahr wird aktiv die offene Arbeit mit Kindern in Weinfelden betrieben. «Bisher lag ein Fokus in der aufsuchenden Jugendarbeit auf Touren am Weinfelder Bahnhof. Unser Auftrag lautet aber klar, Jugendliche bis 18 Jahre zu unterstützen. Die Zielgruppe am Bahnhof ist aber meist eine andere.» So wurde ein neues Feld aufgetan und mit einem besonderen Projekt gestartet. «Wir besuchten regelmässig Spielplätze, brachte Bastelmaterialien mit und gaben Inputs für Spiele», so Diego Alessi. Immer unter der «Flagge» der Stadt Weinfelden und mit gekennzeichneter Kleidung. «Dies ist auch bei den Eltern gleich ein Eisbrecher, wenn sie sehen, dass die Stadt unsere Aktivitäten unterstützt», so Handte. Die anfangs eher «scheuen» Kids tauten schnell auf und bei jedem Besuch gesellten sich mehr Kinder zum Jugendwerk-Team. «Beim letzten Mal auf dem Spielplatz beim Thomas Bornhauser Schulhaus schauten 90 Kinder vorbei», erzählt Alessi ganz beeindruckt. Werbung haben sie extra keine gemacht, vielmehr hat sich ihre Präsenz herumgesprochen. «Viele Kinder klapperten jeweils mit dem Velo die Spielplätze ab und hielten nach uns Ausschau», so der Jugendwerk-Leiter weiter. Vom Anmalen von Papptellern, dem Falten von Papierfliegern bis zu aufwendigeren Holzarbeiten – die Kids zeigten sich begeistert. Das Augenmerk liege bei den Aktionen auf den Kindern, die Eltern nehmen laut Handte automatisch Ideen für Spiel- und Bastelideen auf. Manches Mami und so mancher Papi staunten nicht schlecht, wie sich der Nachwuchs miteinbrachte und sogar freiwillig beim Aufräumen half. Mitunter werden niederschwellig Themen wie Integration im spielerischen Umfeld angegangen oder Kinder gefördert, welche zum Beispiel durch ihre Grobmotorik auffallen.
Nach den Herbstferien löst die offene Arbeit mit Kindern auf den Spielplätzen das Bewegungsangebot in der alten Thomas Bornhauser Turnhalle ab. Jeweils am Sonntag von 14 bis 16 Uhr können sich Primarschülerinnen- und Schüler kostenlos und unter Aufsicht des Jugendwerks sowie Jugend-Sport-Coaches an Sportgeräten oder bei animierten Spielen austoben.
Präsenz an der WEGA
Doch die Jugendlichen werden keineswegs vergessen. So präsentiert sich das Jugendwerk aktuell an der WEGA in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Perspektive Thurgau im Post Pärkli mit einer grossen Lounge. «Ein Rückzugsort, um sich in dem ganzen WEGA-Trubel etwas ausruhen zu können oder als sicherer Treffpunkt, wenn sich zum Beispiel Auseinandersetzungen ergeben sollten. Denn öffentliche Grossevents wie die WEGA seien nun mal prädestiniert für Konflikte bei jungen Erwachsenen. So sind Handte, Alessi und ihre Kolleginnen- und Kollegen tagsüber und abends bis 22 Uhr in Zweierteam aufsuchend auf dem Gelände unterwegs. «Wir sind keine Ordnungshüter, sondern fragen nach, wie es den gerade Jugendlichen geht, ob Redebedarf über eventuelle Vorkommnisse besteht und laden sie zu uns in die Lounge ein», so Alessi. Dort können sich die jungen Weinfelderinnen und Weinfelder – und natürlich auch Auswärtige, selbst kostenlos Getränke mixen. Dazu gebe es Handy-Ladegeräte und kein Zwang, etwas gegen ein Entgelt zu konsumieren. Für die jüngeren Gäste werden jeweils am Nachmittag Spielmaterialen zur Verfügung gestellt.
Das Jugendwerk schätzt die Zusammenarbeit mit der Stadt Weinfelden. «Nach über 30 Jahren ist das Vertrauen in unsere Arbeit gross und wir haben viel Spielraum, wenn wir unseren Auftrag erfüllen», so Diego Alessio. Kinder- und Jugendarbeit könne man nicht mit anderen Gemeinden vergleichen. «Die Konzepte sind auf die jeweiligen Städte zugeschnitten. Andere Städte haben andere Bedürfnisse. Darum ist es für uns so wichtig, mit den Kindern und Jugendlichen mitzuwachsen, neue Angebote auszuprobieren und uns weiterzuentwickeln.
Von Desirée Müller