Kreuzlingen Windelabo und Pizzaessen
Auflösung des gemeinnützigen Frauenvereins
Der gemeinnützige Frauenverein Kreuzlingen wird Ende Monat nach 155 Jahren aufgelöst. Ein Rückblick auf die schönsten Momente.
Irene Eberle
Der gemeinnützige Frauenverein Kreuzlingen wird Ende Monat nach 155 Jahren aufgelöst. Ein Rückblick auf die schönsten Momente.
Kreuzlingen Vor 155 Jahren gründeten 25 Frauen den gemeinnützigen Frauenverein in Kreuzlingen mit dem Gedanken, Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, zu unterstützen. Bis vor Kurzem strickten ihre Nachfolgerinnen Socken, färbten Ostereier oder steckten Kränze, um diese an Märkten in
Kreuzlingen zu verkaufen und Geld für ihre wohltätigen Aktionen zu sammeln. Sie nähten «Schmusebärlis» für die kleinen Patienten auf der Kinderstation im Spital Münsterlingen, häkelten reflektierende Stirnbänder für Schüler, um sie für Autofahrer sichtbar zu machen in der kalten Jahreszeit oder stellten Rollstuhltaschen für die Bewohnerinnen und Bewohner des Alterszentrums Abendfrieden her.
Noch elf Frauen setzten sich in den letzten Jahren für den Verein ein. Zwischen 69 und 89 Jahr alt sind die stillen Heldinnen und eine davon engagiert sich bereits seit mehr als drei Jahrzehnte für den gemeinnützigen
Frauenverein. Wir besuchen die gute Seele und Präsidentin des Vereins, Irene Eberle. Sie erzählt gerne von all den schönen und Mut spendenden Momenten, welche der Verein vielen Menschen bescheren konnte. Ob ein Windelabo für ein frischgebackenes Teenager-Mami, ein grosszügiger Batzen für eine Familie nach einem Hausbrand oder eine Fahrt aufs Jungfrau Joch für einen beeinträchtigten jungen Mann mit seiner Mutter als Ausgleich zum fordernden Alltag. Die Spenden wurden stets mit Bedacht verwendet. Speziell in Erinnerung bleibt Irene Eberle ein Brief von einer Mutter, welcher den Weg in ihren Weihnachtsbriefkasten vor dem evangelischen Kirchgemeindehauses schaffte. «Sie wünschte sich so sehr, ihrer Familie am Heiligabend ein feines Weihnachtsessen kochen zu dürfen», sagt die Präsidenten und erzählt, dass sie ihr noch so gerne einen Einkaufsgutschein überreichten. Und nun wird der Verein per Ende März aufgelöst. Nach 155 Jahren voller
Glückspendender Momente sehen sich die verbleibenden Mitglieder gezwungen, die Tradition niederzulegen.
«Wir finden keinen Nachwuchs», sagt Irene Eberle traurig. Wie überall verpflichte man sich nicht mehr gerne, obwohl der Aufwand durchaus überschaubar ist. Alle zwei Wochen treffen sich die Frauen auf einen Kaffee. Unverbindlich und ohne An- oder Abmeldung. «Dort haben wir jeweils entschieden, welche Anträge wir unterstützen», so Irene Eberle. Je nach Lust, Laune und Begabung werkelten die Frauen zu Hause an ihren tollen Basteleien, welche sich stets gut verkaufen liessen. Doch das Kaufverhalten habe sich auch an den Märkten verändert. «Wenn man für ein paar Franken gute Bettsocken kaufen kann, gibt man eher weniger 20 Franken für selbst gestrickte aus», machten die Frauen die Erfahrung. Doch dies sei keineswegs der Grund für die Auflösung. «Wir hätten uns so gefreut, jüngere Gesichter im Verein begrüssen zu dürfen.» Doch egal wie und wo die Damen «Nachwuchs» suchten, scheiterten sie am Interesse der jungen Leute.
Auf dem Konto des Vereins befand sich noch ein schöner Batzen, mit dem die elf Frauen nun noch zum letzten Mal Freude bereiten konnten. Wie den Bewohnerinnen und Bewohner des Besmerhuus in Kreuzlingen. «Die Angehörigen oder Institutionsleiter dürfen den 48 Menschen mit besonderen Bedürfnissen jeweils für 80 Franken ein besonderes Geburtstagsgeschenk machen.» Auch das Pfarrehepaar Hochstrasser bekam einen Batzen für besondere Fälle. «Nicht selten klingelt es nämlich an ihrer Haustüre und ein Hilfesuchender bittet um etwa Geld für eine Fahrkarte oder etwas zu essen.» Die übrigen Näharbeiten verteilten sie an andere gemeinnützige Organisationen, welche sie zum Verkauf anbieten können. Und die zehn jungen Frauen und Männer im Alter von 15 und 22 Jahren der Institution Hof Brunnegg in Kreuzlingen dürfen sich auf ihrer nächsten Reise auf einen Pizzaplausch oder ein feines Glace freuen. Wie liebevoll die Frauen die «Glückspilze», welch ein Päckli zutragen haben aussuchten, ist bewundernswert. Umso trauriger, dass die Aktionen bald der Vergangenheit angehören werden. Falls sich irgendwann in «ferner» Zukunft wieder Frauen zusammentun und den Verein erneut ins Leben rufen möchten, würde sich Irene Eberle freuen.
Von Desirée Müller
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