07.08.2024 00:00
Lehrer, Sammler, Museumsgründer
Zum Abschied von Hans-Ueli Wepfer (1938 bis 2024)
Am 3. Juli ist Dr. Hans-Ulrich Wepfer, Gründer und langjähriger Leiter des Seemuseums Kreuzlingen, verstorben. Mit dem Seemuseum und seinen Sammlungen hinterlässt er eine für den Bodenseeraum einmalige Institution.
Bereits als junger Lehrer in Ermatingen begann Hans-Ueli Wepfer in den 1960er-Jahren mit dem Sammeln von Fischereiutensilien. Die Welt der Fischer war im Umbruch begriffen, jahrhundertealte Traditionen verschwanden und so dokumentiert diese Sammlung eine Zeit starken Wandels am See. Regelrecht «museumswütig» sei er gewesen, erzählte er vor einigen Jahren in einem Interview. Selber gefischt, habe er allerdings nie, dafür fehlte ihm die nötige Geduld. Umso mehr Geduld und Ausdauer zeigte er bei der Gründung eines Museums. Gemeinsam mit einigen Mitstreiterinnen und -streitern rief er Mitte der 1970er-Jahre einen Verein für ein Bodensee-Fischereimuseum ins Leben. Über Jahre hinweg rang die Gruppe um einen geeigneten Standort für ihre Museumspläne – vergeblich.
Seinen Lebensunterhalt verdiente Hans-Ueli Wepfer – mittlerweile promoviert – als Lehrer für Geschichte und Englisch am Seminar Kreuzlingen, der heutigen Pädagogischen Maturitätsschule, wo er von 1968 bis 2003 tätig war. Es muss zu Beginn der 1980er-Jahre gewesen sein, als Ehefrau Gundel bei einem gemeinsamen Spaziergang die Kornschütte als möglichen Museumsstandort ins Spiel brachte. Das landwirtschaftlich genutzte Gebäude befand sich allerdings in einem desolaten Zustand. Anfänglich skeptisch, fing Hans-Ueli doch allmählich Feuer für diese Idee.
Erneut sollten Jahre vergehen, bis die Verantwortlichen der Stadt Kreuzlingen überzeugt und die nötigen Mittel gefunden waren, um das Gebäude im Baurecht an eine neu zu gründende Stiftung zu übertragen. Dabei zeigte sich Hans-Ueli durchaus nicht als Bittsteller, sondern als selbstbewusster, hartnäckiger Visionär, der bei der Stadtregierung nachdrücklich Raum zur Verwirklichung eines Museums einforderte. Mit Unterstützung der Stadt Kreuzlingen, des Kantons Thurgau sowie unzähliger Arbeitsstunden von zahlreichen Freiwilligen gelang es schliesslich, die Kornschütte zu retten und als Museum mit neuem Leben zu füllen. Dass Hans-Ueli gleichzeitig jahrelang dem Thurgauer Heimatschutz vorstand und bereits Erfahrung in der Sanierung historischer Gebäude gesammelt hatte, half der Sache wesentlich.
Aus der Idee für ein Bodensee-Fischereimuseum entstand das Seemuseum, das neben der Fischerei auch die Geschichte der Schifffahrt behandeln wollte. «Put Fish and Ships together», sagte der leidenschaftliche Englandkenner anlässlich seiner Eröffnungsrede im Juli 1993. Interdisziplinär und bodenseeumspannend sollte das «erste internationale Museum am Bodensee» sein. So sassen im Stiftungsrat Persönlichkeiten aus allen drei Anrainerstaaten und Hans-Ueli fuhr im Sommer jeweils persönlich rund um den See, um Plakate und Flyer zu verteilen.
Rund zwei weitere Jahrzehnte blieb er als Spiritus Rector am Steuer und lebte wortwörtlich im Seemuseum. Nur eine Tür entfernt hatte das Ehepaar Wepfer eine der Wohnungen im Ostteil der Kornschütte bezogen, die das Museum bis heute mitfinanzieren. Wohnen und ehrenamtliche Arbeit verschmolzen.
So ist es nicht verwunderlich, dass es Hans-Ueli schwerfiel, die Geschicke des Seemuseums zu Beginn der 2010er-Jahre in neue Hände zu legen. Der Übergang muss schmerzhaft gewesen sein, auch wenn er weiterhin Gäste durch das Museum führte. Den Umbau 2019 betrachtete er aus kritischer Distanz, zeigte sich aber wenig später versöhnt mit den neuen Museumsmacherinnen und -machern. «Das chunt scho guet», meinte er. Es muss ihn mit Genugtuung erfüllt haben, zum 30-jährigen Jubiläum im letzten Sommer den Fortbestand seines Museums durch Leistungsvereinbarungen mit der Stadt Kreuzlingen sowie dem Kanton Thurgau gesichert zu wissen.
In den vergangenen Monaten hat das Seemuseum schrittweise das persönliche Archiv von Hans-Ueli ins Institutionsarchiv integriert. Diese Bestände verdeutlichen noch einmal, mit welcher Akribie er Jahrzehnte lang den Bodenseeraum bearbeitete, Themendossiers anlegte, Fotos und Zeitungsartikel sammelte und unzählige Diavorträge hielt. Die daraus entstandene «Dokumentationsstelle Bodensee» bildet gemeinsam mit den Sammlungen des Seemuseums sein Vermächtnis. In seinem letzten Lebensjahr war Hans-Ueli wieder vermehrt in den Ausstellungsräumlichkeiten des Museums zu Gast. Es schien, als würde er leise Abschied nehmen von seinem Lebenswerk.
⋌Im Namen der Stiftung Seemuseum
⋌Christian Hunziker, Museumsleiter