Selina Bonagura und Reinhard Steiner vor dem Liberty Cinema in Weinfelden. Bild: zVg
02.11.2023 12:00
Die Liebe zu Gast in Weinfelden
Bereits an drei Terminen, und heute um 17 Uhr ein weiteres Mal, läuft der Film «What is Love?» im Liberty Cinema. Darstellerin Selina Bonagura sowie Darsteller und Filmemacher Reinhard Steiner erzählen im Interview, was der Film für sie bedeutet und warum man ihn unbedingt sehen sollte.
Herr Steiner, wie kamen Sie auf die Idee für diesen Film?
Die ursprüngliche Idee ist ungefähr sechs Jahre alt. Bei einem gemütlichen Beisammensein mit Bekannten und Freunden kam mir die Idee die Anwesenden zu fragen, was Liebe ist. Dadurch wurde mir auch bewusst, welche Tragweite diese Frage hat. Denn das Wort Liebe, so sagte mein Deutschlehrer einst, sei das am meisten falsch gebrauchte Wort. Es gibt unzählige Lieder über die Liebe, Hollywood-Blockbuster und zeitlos gültige Kultklassiker widmen sich diesem Thema ebenso wie Bücher, Zeitschriften und Social Media Beiträge. Aber irgendwie faszinierte es mich, die Menschen direkt zu fragen, was sie unter dieser «Liebe» denn verstünden. Nicht zuletzt, weil die Frage scheinbar naiv wirkt, so als hätte man das im Kindergarten gelernt. Aber die Realität scheint eine ganz andere zu sein: Die befragten Menschen hatten keine vorgefertigte Antwort parat und mussten die Antwort an einem Ort suchen, der nichts mit dem hektischen Alltag gemein hatte.
Die Idee gärte lang in mir und als Filmemacher wusste ich, dass ich eines Tages einen Film darüber machen werde. Als ich dann im Frühjahr 2022 Selina Bonagura kennenlernte, erkannten wir, dass dieser Film auf unserer Projektliste ganz oben steht. Auch für Martina Herzog (Mitregisseurin und Kamerafrau) und Martin Fankhauser (Mitproduzent) war klar, dass wir alle genau dieses Projekt gemeinsam, und zwar jetzt umsetzen wollten. Das war eineinhalb Monate vor Drehbeginn. Wenn das Feuer für ein Projekt brennt, dann kann man es nicht mehr löschen. Wir wussten, dass diese Zeitspanne zu kurz ist, um Fördergelder zu bekommen. Also haben wir das ganze Projekt kurzerhand aus der eigenen Tasche finanziert.
Frau Bonagura, wie kamen Sie dazu, in diesem Filmmitzuspielen?
Vor sechs Jahren kam Reinhard diese Idee, während eines Lagerfeuers in seiner Heimat Zell am See in Österreich. Und als wir uns im April 2022 kennenlernten und merkten, dass wir beide gerne für die Liebe wirken, war schnell klar, dass das Film-Projekt «What is Love?» ein gemeinsames sein soll. Dann haben wir auf Hochtouren alles vorbereitet, um am baldigen 11. Juli 2022 die Reise starten zu können.
Wohin hat Sie die Reise vom Startpunkt Wil aus geführt?
SB: Mit unserem ersten Oscar hat es in Wil begonnen und wie es dann weiter geht, sehen Sie im Film. Das Drehbuch hat die Liebe selbst geschrieben und es ist erstaunlich zu sehen, was geschieht, wenn man die Führung abgibt.
RS: Wil steht ja als Akronym für unseren Film W(hat) i(s) L(ove), einen besseren Startpunkt gäbe es für unseren Film ja kaum. Wohin uns die Liebe geführt hat, wie weit weg oder wie nah zu uns selbst, das seht ihr im Film.
Welches Konzept steckt hinter diesem Film?
SB: Die Menschen an die Liebe in sich selbst zu erinnern.
RS: Die ursprünglichen Ideen zu diesem Film waren völlig überladen. Zuerst dachte ich, die Frage ist so wichtig, die müssen wir auch «wichtigen» Menschen stellen. Ich wollte zum Papst, dem US-Präsidenten und Prominenten. Doch dieser Film hat ein Eigenleben, er weiss genau, was er braucht. So kristallisierte sich sehr schnell heraus, dass wir die Antworten bei ganz normalen Menschen finden werden. Immer weiter wurde der Film entschlackt, bis er zu dem wurde, was er jetzt ist: Ein Manifest der Liebe, von Menschen für Menschen. Und auch wie die Reise selbst vonstattenging: Wie sie startete, verlief und wo sie endete; das ist so unfassbar, dass wir im Vorfeld nie auf die Idee gekommen wären, so etwas zu scripten. Nota Bene: es ist ein Film, der chronologisch passend zu den Aufnahmen geschnitten wurde.
Und der Film zwang mich als Filmemacher dazu, mich meiner Fähigkeiten, die ich mir über Jahrzehnte erworben hatte, zu besinnen. Da wir eben keine Fördergelder bekommen hatten, musste, nein durfte ich als gelernter Cutter des Schweizer Fernsehens (Tagesschau und 10 vor 10) die gesamte Postproduktion selbst machen. Aber nebst dem ganzen Technischen bin ich einfach nur begeistert von der Dramaturgie und dem Inhalt der Antworten. Und zugegeben, als Cutter hatte ich manchmal echt die Frage, wie passt diese Antwort denn bitte jetzt in den Film? Was ich dabei gelernt habe ist Vertrauen – selbst bei Missgeschicken. Denn ganz zuletzt kam wirklich immer etwas Wunderbares heraus. Und das Wunderbarste ist, die Menschen mit dieser Frage wieder an das wichtigste im Leben zu erinnern, nämlich die Liebe.
Welche Aufgaben galt es für Sie während dieser Reise zubewältigen?
SB: Die Kontrolle komplett abzugeben und die Führung einfach von der Liebe geschehen zu lassen. Da Liebe uns alle etwas angeht, waren auch alle Menschen sehr offenherzig und begeistert von dieser Frage.
RS: Es braucht Mut diese Frage Menschen zu stellen, die man noch nie gesehen hat. Und es braucht Mut diese Frage von Menschen, die man noch nie gesehen hat, zu beantworten.
Was möchten Sie den Leutenmitgeben, die den Film nichtgesehen haben?
SB: Stellen Sie sich selbst und Ihrem Umfeld diese so scheinbar simple, aber tiefgründige Frage: Was ist Liebe? Sie werden erstaunt sein, welche Reaktionen Sie dadurch erfahren werden.
RS: Selina und ich haben unsere Jobs gekündigt, damit wir die Menschen wieder an das erinnern können, was in der Hektik des Alltagsgetriebes gerne vergessen geht. Auch wenn ihr den Film nicht gesehen habt, erinnert Euch an die Liebe, die in Euch ist, und teilt sie. Ein einfaches Lächeln ist ein sehr guter Anfang.
Interview: Nico Wrzeszcz