In Weinfelden soll es ein Grabfeld für Muslime geben - Frauenfeld machte gute Erfahrungen damit.
26.09.2024 08:08
«Ein Friedhof muss neutral sein»
Stefan Wolfer befürchtet, dass ein muslimisches Grabfeld einen Rattenschwanz nach sich zieht. Dem ist nicht so, sagen die Glaubensvertreter
Der Dachverband Islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein
Weinfelden SVP-Politiker Stefan Wolfer ist alles andere als begeistert über das Vorhaben der Stadt. Damit
werde ein Präzedenzfall geschaffen. Ein Friedhof sei neutral zu führen. «Das neue Reglement soll erneut
für Jahre bestehen bleiben. Andere, vielleicht auch neue, Glaubensgemeinschaften haben so nicht die Möglichkeit, ebenfalls einen Antrag für ein spezielles Grabfeld zu stellen», so Wolfer. Zumindest die bestehenden Religionsvertreter sehen auf Anfrage jedoch auch langfristig keinen Bedarf. Wir haben mit ihnen gesprochen und dazu Markus Marghitola, Leiter Abteilung Friedhof der Stadt Frauenfeld, auf dem Friedhof Oberkirch besucht.
Dort besteht seit 2019 ein Muslimisches Grabfeld.
Keine Kritik
Sechs Gräber, nach Mekka gerichtet, sind aktuell in die Friedhofsanlage integriert. Einzig die Richtung und das fehlende Holzkreuz lassen darauf schliessen, dass hier «etwas anders ist». Der Antrag des DIGO wurde damals ohne Aufruhr vom Frauenfelder Stadtrat genehmigt. Kritische Stimmen aus der Bevölkerung blieben aus. Auch von den Besuchenden des Friedhofs Oberkirch kamen bisher keine negativen Meldungen. «Die Vertreter des DIGO waren höchst kompromissbereit und ihre einzige Bitte war, dass die Gräber Richtung Mekka gerichtet sind», sagt Markus Marghitola. Die Zeremonie hebt sich etwas von der christlichen ab. Ein Teil des Aushubs wird
neben dem Grab platziert. Die Angehörigen decken den Sarg symbolisch mit der Erde zu. «Wir stellen ihnen
lediglich die Schaufeln zur Verfügung», so Marghitola. Sonstige Ansprüche an das Begräbnis hätten die Muslime nicht. Es fällt nicht mehr Arbeit für die Bestatter an, die Kosten sind gleich und negativ auffallen tun die Gräber nicht. Ein stilles, friedliches Miteinander. Inklusive Massnahme Matthias Loretan ist katholischer Seelsorger und Präsident des interreligiösen Arbeitskreises des Kantons Thurgaus. Er schliesst sich Markus Marghitola an und spricht sogar von einer inklusiven Massnahme. «Grundsätzlich begrüsse ich es, wenn Menschen im Rahmen ihrer religiösen und kulturellen Tradition von ihren Verstorbenen Abschied nehmen können. Dazu gehört auch
eine bestimmte Begräbniskultur.» Er glaube, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich eher an einem
Ort beheimatet fühlen, wo sie ihre Toten begraben können. Je nach Gestaltung der muslimischen Grabfelder
können diese laut Loretan auch deshalb eine inklusive Wirkung haben.
Juden wollen kein Grabfeld
Grabfelder für Vertreter des jüdischen Glaubens auf öffentlichen Friedhöfen machen keinen Sinn. «In der Schweiz gibt es seit dem 19. Jahrhundert jüdische Friedhöfe», so Jonathan Kreunter, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG. Heute sind es etwa zwei Dutzend. Ein Grabfeld auf
einem öffentlichen Friedhof wie in Weinfelden sei nicht nötig, denn: «Das hängt damit zusammen, dass das Judentum vor allem die Vorgabe der ewigen Grabruhe kennt. Das heisst, dass jüdische Gräber nicht aufgelöst werden können. Es gibt noch weitere Vorgaben, wie zum Beispiel, dass jüdische Friedhöfe an bestimmten
Feiertagen nicht betreten werden dürfen.» «Hinduisten werden kremiert und darum brauchen sie keine Grabfelder. Sie werden in einem örtlichen Krematorium verabschiedet», sagt Satish Joshi, Präsident Schweizerischer Dachverband für Hinduismus. «Wir Hindus brauchen keine Sonderbehandlung», so Joshi weiter.
Im Buddhismus gibt es keine bevorzugte Bestattungsoptionen. «Hat der Geist (Seele) den Körper nach dem
Tod einmal verlassen, ist es nicht mehr entscheidend, wie der Körper bestattet wird. Je nach Kulturbereich der buddhistischen Gemeinschaften gibt es Feuerbestattungen, Erdbestattungen oder auch Luftbestattungen», erklärt Gen Kelsang Lachpa, Buddhistischer Mönch und Zentrumslehrer in Sitterdorf. «Sollte eine Erdbestattung gewünscht sein, braucht es nicht in einem bestimmten Bereich sein, es spielt keine Rolle wo genau der Körper bestattet wird.»
Evangelische Kirche ist offen
Die «Eine» Positionierung der Evangelischen Landeskirche gebe es nicht, gerade im Thurgau seien die Kirchgemeinden sehr autonom und lassen sich ihre jeweils eigenen Meinungen nicht nehmen, sagt Christina
Aus der Au, Kirchenratspräsidentin der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau. «Aber grundsätzlich
begrüssen wir ein friedliches Zusammenleben – und in diesem Fall ‘Zusammenliegen’ - der Angehörigen
unterschiedlicher Religionen, die ja auch die Situation in unserem Land und Kanton widerspiegelt», so Aus der Au. Und so müssen und dürfen laut ihr auch Muslimas, Buddhisten und Atheistinnen irgendwo würdig begraben sein. «Es spricht in unseren Augen gar nichts dagegen, auf dem Friedhof – der notabene in der Hoheit der politischen Gemeinde liegt, auch wenn das Land selber noch der Kirchgemeinde gehören mag – für muslimische
Verstorbene ein Grabfeld einzurichten, das gegen Mekka gerichtet ist.»
Von Desirée Müller