20.02.2025 12:00
Zum Stressabbau Abfall vermöbeln
Smash the Trash an der Schützenstrasse 47 in Weinfelden ist ein «Zerstörungsdienst» und bietet den Gästen an, Schrott oder Altglas zu zerschlagen
Ob defekte Staubsauger, Laptops oder altes Geschirr - bei «Smash the Trash» in Weinfelden wird all das kurz und klein geschlagen. Entspannung pur, sagen die einen. Ein einmaliger Spass, die anderen. Ein Erlebnisbericht.
Weinfelden Und dann steh ich also in dem Raum, in der rechten Hand ein Brecheisen, in der anderen eine Art Baseballschläger aus Eisen. Vor mir steht ein Computer auf dem Boden, dazu ein Autoreifen gefüllt mit Elektroschrott. Auf einem Regel stehen schön aufgestellt alte Gläser und Teller. Eine mit einem Smile-Gesicht drauf – diese kommt mit mir nach Hause und zersplittert nicht wie die anderen an der vor mir liegenden Betonwand. Was für Musik wir hören möchten, fragte Dani meine Begleiterin und mich während wir unsere Anzüge in einer Kabine anzogen. «So Pop», schlugen wir vor. «Oder sowas?», fragt Dani und dreht die Lautstärke eines Rocktitels auf. Passt. Er hilft uns beim Aufsetzen der roten Schutzmaske und der Handschuhe. Der Song pusht uns in die richtige Stimmung. Schon auf der Herfahrt überlegte ich mir, auf was oder wen ich aktuell grad hässig bin, und Dampf ablassen muss. Als wir vor der Lagerhalle parkten wusste ich es noch nicht. Und da stehe ich eben in dem Raum, Brecheisen und Baseballschläger in den Händen. Die Sachen schreien mich förmlich an, ich soll sie (noch mehr) kaputt machen, als sie schon sind. Also kick ich in irgendwas, das am Boden liegt und fluche sogleich. Es war wohl ein alter Verstärker und verdammt schwer. Aus Zorn für den pochenden Zeh, hole ich mit dem Brecheisen aus und schlag einmal zu. Schon im Moment, wo sich das Eisen Richtung Verstärker neigt, habe ich ein schlechtes Gewissen und schliess die Augen. Das Zertrümmern der Gegenstände ist nichts für mich, sehe ich schnell ein. Meine Begleiterin hingegen bedient sich an all dem Schrott und zerkleinert ihn leidenschaftlich.
Schlechtes Gewissen verdrängen
Ich denke wie verrückt nach, versuche ein Quäntchen an Wut aufflackern zu lassen. Doch da auch das Pochen des Zehs nachgelassen hat, fehlen mir die Gründe. «Versuchs mit einem Glas», rät mir meine begeisterte Begleiterin und wirft eine Computertastatur auf den Boden. Ich suche mir ein altes Konfiglas aus. Ich ruf «Achtung» und schmettere es an die Wand. «Hmmm gar nicht so schlecht», ruf ich durch die laute Musik hindurch. «Komm, wir spielen Tontaubenschiessen», schlägt meine Begleiterin vor. Sie wirft einen Teller in die Luft und ich versuch ihn mit einem Glas abzuschiessen. Der Glückstreffer motiviert mich zur Wiederholung. Langsam bekomme ich Gefallen an der Sache. Ich nutze das Brecheisen zum Golfabschlag üben – versage auch beim dritten Versuch kläglich aber lasse mich vom Lachen meiner Begleiterin anstecken. In den nächsten 30 Minuten kommen wir gar nicht aus dem Lachen raus. Uns kommen immer blödere Ideen in den Sinn und irgendwann flackern dann doch die einen oder anderen Erinnerungen auf, welche mich scheinbar unterbewusst immer noch beschäftigten. Und das Glas wäre im Container sowieso zerbrochen worden, denke ich mir, um mein Gewissen zu besänftigen. Ein Segen für die Seele Die Gäste reisen seit der Eröffnung vor einem halben Jahr aus der ganzen Schweiz, Deutschland und Österreich an. «70 Prozent der Besuchenden sind Frauen», erzählt Dani Widmer, was doch eher überrascht. «Man denke an all die Mamis, die immer funktionieren müssen, oder Geschäftsfrauen, welche sich vielleicht etwas mehr beweisen müssen als ihre Kollegen.» Dies solle keineswegs despektierlich klingen und die Beweggründe für einen Besuch der Frauen seien divers. So auch diese der männlichen Gäste. Doch egal welches Geschlecht: «Es scheint den Gästen einfach gut zu tun, sich mal auszupowern – und dies nicht beim Sport.» Das Zerschlagen von Gegenständen (in sicherer Umgebung) kann Anspannung regulieren – und mache vielen einfach Spass. Die einen kommen alleine, andere in Gruppen wie bei Junggesellenabschieden oder Geburtstagspartys. «Wir haben auch viele Reservationen von Firmen, welche mit der Belegschaft kommen.» Und ganz spannend: es waren auch schon Besuchende auf Anraten ihres Psychiaters hier. Immer öfters wird das «Smashen» in Therapien empfohlen. Oder anders herum: «Wir arbeiten mit einem Psychiater zusammen und haben auch schon Gäste vermittelt». Denn nicht selten öffnen sich die Besucher Dani nach ihrem Workout. «Vor allem die Einzelpersonen haben immer einen spezifischen Grund, warum sie hier sind. Eine Krankheitsdiagnose eines Familienmitglieds, eine Kündigung oder Probleme mit dem Partner.» Bisher sei jede und jeder entspannter heimgefahren, als sie gekommen seien.
Hohe Fixkosten
Das Führen des Betriebs ist nicht ohne: «Alleine letzte Woche entsorgten wir 19 Tonnen Abfall.» Dieser wird in Containern deponiert, sortiert nach Glas, Elektroschrott und so weiter – wie man es vom Entsorgen auf dem Werkhof kennt. Dani prüft jedes Stück und entscheidet, ob es sich fürs sichere Zertrümmern eignet. «Manchmal bringen auch Leute altes Geschirr oder einen defekten Staubsauger vorbei.» Auf Kritik ist er bisher nicht gestossen. «Die Sachen wurden bereits weggeworfen, somit erhalten sie quasi ein zweites Leben», sagt er und lächelt. Anders sah es bei seinem ersten Standort aus, ein temporäres Pop- Up in Winterthur. Ohne Lärmemissionen geht Smash the Trash nicht. Hier in Weinfelden stört dies keinen, respektive man hört keinen Mucks von Draussen. Auch der Hallenvermieter wunderte sich nicht über sein Vorhaben, sondern begrüsste seine Idee. Wäre diese nicht einfach nachzumachen? «Es gibt vergleichbare Angebote von sogenannten Zerstörungsdiensten, auch bekannt als Wutraum oder Zornraum.» In der Ostschweiz ist Smash the Trash bisher das einzige Angebot dieser Art. Es hätten sich bereits einige Interessenten gemeldet und meinten, dass sie ebenfalls etwas Vergleichbares starten möchten. «Doch bisher hat es noch niemand durchgezogen. Das finanzielle Risiko ist mit den hohen Fixkosten nicht unerheblich. Dazu ist die Standortsuche schwierig.» Somit bleibt Dani bislang der Pionier der Region in Sachen Abfall vermöbeln. www.smashthetrash.ch
Von Desirée Müller